Manifest der Stiftung zur Nach-Corona-Zeit

Sigrid Metz-Göckel

Manifest der Stiftung zur Nach-Corona-Zeit 

Die Stiftung Aufmüpfige Frauen meldet sich zu Wort: Wohlstand neu definieren, ist die Chance der Nach-Corona-Zeit.

Ein neuer Geschlechtervertrag muss her!

Feminismus kann Leben retten[1] und den Planeten auch. Die aktuelle Verunsicherung ist eine Chance, einem neuen Denken, das schon angelegt war, Raum zu geben und Praxis werden zu lassen. Es geht um Lebensqualität für alle im Sinne einer sinnvollen und wertgeschätzten Arbeit, um Gleichstellung und Gesundheitsschutz, um die Pflege von Gemeinsinn, Freundschaften und sozialen Zusammenhalt, anstatt den Konsum und Ressourcenverbrauch weiter anzuheizen. Vieles davon haben wir während der Corona-Zeit erfahren und wertschätzen gelernt. Aber auch die Schattenseiten sind im Blick auf die Gleichstellung der Geschlechter, die planetarische Gesundheit (Klimawandel), die soziale Gerechtigkeit, das Leben in einem solidarischen Europa und globalen Zusammenhang deutlicher hervorgetreten. Vor allem die Arbeit von Frauen hat das Leben aufrechterhalten und die Lasten des Lockdowns getragen.

Aus der Zivilgesellschaft[2], der Nachhaltigkeitswissenschaft, aus Teilen der Politik melden sich beunruhigte Stimmen zu Wort, die einen systemischen Neuaufbruch aus der Corona-Krise fordern und dies bei der Neuverteilung der gigantisch vielen Milliarden an Steuergeldern und Bürgschaften durchzusetzen wollen. In diesen Chor einer neuen Wohlstandsprogrammatik reiht sich die Stiftung Aufmüpfige Frauen ein und bestärkt eine feministische Perspektive beim Paradigmenwechsel von der neoliberalen Produktionslogik in eine zirkuläre Wirtschaftsweise.[3]

Im Einzelnen sind dies z.B.:[4]

  • Eine paritätische Beteiligung von Frauen* in den Parlamenten und politischen Entscheidungs- und Beratungsgremien
  • Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge und in ein belastungsfähiges Care-System
  • Angemessene tarifliche Vergütung der professionellen Sorgearbeit und Wertschätzung dieser systemnotwendigen Tätigkeiten
  • Abbau des Gender Pay Gap, des Gender Care Gap, des Gender Pension Gap in systemrelevanten Berufen‘ (mit 75% Frauenanteil)
  • Erleichterung der Vereinbarung von Beruf und Leben mit Kindern

besonders für junge berufstätige Mütter (und Väter)

  • Unterstützungsprogramm für junge Eltern beim Homeoffice, befristete Freistellung von der Berufsarbeit und Entgeltfortzahlung, Elternausgleichzahlungen bei mangelnder institutioneller Kinderbetreuung,
  • Unterstützung von Berufstätigen, die ihre Angehörigen pflegen (Lohnersatz und eigenes Zeitbudget), Unterbrechung der globalen Pflegeketten.[5]
  • Sorge um die menschliche Sicherheit. Statt Aufrüstung und Kriegshilfen sind Abrüstung und strukturelle wie humanitäre Aufbauhilfe zu forcieren.
  • Um dies in Gang zu setzen, sind eine geschlechtergerechte Haushaltspolitik und eine geschlechterdifferenzierte Wirkungsanalyse der Corona-Maßnahmen zu implementieren.

 

Die Stiftung Aufmüpfige Frauen fordert die Errichtung eines Gleichstellungsinstituts auf Bundesebene, das kontinuierlich Daten, Forschungsergebnisse und Beratungskompetenz für die Politik zur Verfügung stellt (Barbara Stiegler, GMEI).[6]

 

Für die Stiftung: Sigrid Metz-Göckel, Dortmund, im Juni 2020.

[1] Anna Clauß: Feminismus kann Leben retten. Der Spiegel Nr. 15/4.4.2020; Maja Göbel: Unsere Welt neu denken (2020); Jagoda Marinic: Die Chance ist weiblich, Frankfurter Rundschau, 24.05.20, Frontline Workers, EIGE-Institut (May 2020).

[2] Frauenrat, zivilgesellschaftliche Institutionen, Berliner Aufruf vom 29.04.20. u.a.m.

[3] In einer zirkulären Kreislaufwirtschaft nehmen weder der Wert noch die Qualität eines Rohstoffes nach Gebrauch ab.

[4] S. auch „‘Geschlechtergerecht aus der Corona-Krise“. Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Deutscher Bundestag Drucksache 19/20038.

[5] Durch gute Arbeit in den Entsendeländern (Europa-Politik) und Aufwertung und Qualifizierungsoffensive für Pflegeberufe in den ‚Aufnehmenden Ländern (s. Blog-Beitrag Stefanie Elies, Friedrich Ebert Stiftung 2020).

[6] Barbara Stiegler: Klein und fein, das darf es nicht sein. Der lange Weg zu einem unabhängigen Bundesinstitut für Gleichstellung, in: ZWD Politikmagazin, 15.03.2020, S.5.