Düzen Tekkal 2018

Düzen Tekkal

Journalistin, Autorin und Filmemacherin

Düzen Tekkal
Foto: Markus Tedeskino

Düzen Tekkal ist Deutsche mit Migrationshintergrund. In ihren Filmen und Beiträgen in Talkshows reflektiert und diskutiert sie öffentlich sehr strittige Themen der jesidischen, deutschen und muslimischen Kultur, z.B. Patriarchalismus und Ehrenmord, Polygamie, Zwangsheirat und Homophobie. Sie setzt sich couragiert und frauenbewusst für jesidische Frauen und Mädchen ein.

Journalistische Arbeiten von Düzen Tekkal und Wirkungen

In ihrem Film „Hawar. help. Meine Reise in den Genozid“ berichtet sie als Kriegsberichterstatterin über den Genozid an den Jesiden, insbesondere über die Gewalt und den Missbrauch der IS Krieger an jesidischen Frauen im Nordirak. Sie zeigt, dass diese Frauen, selbst in ihrer extremen Notsituation, nicht nur Opfer sind: „Ich bin stärker als der IS“, sagt eine der missbrauchten Frauen in diesem Film.

Mit ihrem Buch „Deutschland ist bedroht. Warum wir unsere Werte verteidigen müssen“ (2016) beteiligt sich Düzen Tekkal an der Migrationsdebatte mit einem menschenrechtlichen und frauenbewussten Standpunkt.

In dieser aufgeheizten Debatte vertritt sie eine reflektiert kritische Position, indem sie auch die in Deutschland lebenden Migrant*innen und Zugewanderten in die Pflicht nimmt, demokratisch an der gesellschaftlichen Entwicklung mitzuwirken. Mit einer differenzierten Haltung zum Islam kritisiert sie den Alleinvertretungsanspruch der Islamverbände in Deutschland, weil diese die mehrheitlich integrierten Minoritäten und Eingewanderten nicht repräsentierten. Ihre Kritik an der aktuellen Situation in Deutschland zielt aber nicht nur auf die islamistischen Hardliner, sondern auch auf die wachsende Gewalt von rechts: Jeder der beiden »bösen Zwillinge« verhöhne die Errungenschaften des Grundgesetzes und stellt die wertvollen demokratischen Werte wie Meinungs- und Religionsfreiheit in Frage.

Düzen Tekkal spricht offen über die Probleme, die die Integration von Migranten und Geflüchteten mit sich bringt. Wegen ihrer engagierten Art mit den Widersprüchlichkeiten umzugehen, kann sie als Beispiel einer gelungenen Integration gelten, vor allem, weil sie die Werte verteidigt, für die sie als Deutsche und als Autorin einsteht.

Kultureller und familialer Hintergrund

Beeindruckend ist, wie stark Düzen Tekkal einerseits durch ihre jesidischen Eltern und ihre Großfamilie, andererseits durch ihre Kindheit und Jugend in der Bundesrepublik geprägt ist. Sie lebt praktisch eine doppelte Solidarität. Eingebunden in ihre jesidische Großfamilie und identifiziert mit den Werten der europäischen Kultur, der Demokratie und der Menschenrechte nimmt sie die Differenzen, Konflikte und Diskrepanzen zwischen den Kulturen wahr und setzt ihre Erfahrungen und Erkenntnisse in ihrer journalistischen und filmisch-dokumentarischen Arbeit um.
Jesiden sind eine alte, aus vorchristlicher Zeit, vermutlich aus dem indisch-persischen Mithraskult stammende monotheistische Religionsgemeinschaft, die ihren Schöpfergott Êzîd verehren. Jeside wird man nur durch die Geburt von jesidischen Eltern. Düzen Tekkals jesidischen Vorfahren haben als religiöse kurdische Minorität im muslimischen Umfeld mehrere Pogrome überlebt. Während des Irak- und Syrienkrieges haben die IS Krieger besonders gewalttätig gegen die jesidische kurdische Minorität gewütet und die jesidischen Frauen als Freiwild behandelt, vergewaltigt, gequält und getötet.

Der Vater als Vorbild und die starken Frauen der Familie

Düzen Tekkals Vater kam zunächst allein als Arbeitsmigrant aus dem türkischen Südanatolien nach Deutschland, kehrte aber nach einiger Zeit in seine Heimat zurück. 1978 immigrierte dann die gesamte Familie Tekkal und fand in Hannover einen neuen Arbeits- und Lebensplatz. Der Vater hat sich von Anfang an politisch stark für die jesidische Minorität in Deutschland eingesetzt und mit seinem Engagement ein Ansehen in der jesidischen Community und in politischen Kreisen erworben.

Düzen Tekkal ist das erste in Deutschland geborene Kind der Familie, die insgesamt 11 Kinder hat. Das Aufwachsen in der großen Geschwistergruppe hat sie geprägt und ihre persönliche Durchsetzungsfähigkeit befördert. Ihrem Vater verdankt sie ihre hohe Identifikation mit dem Grundgesetz und den Menschenrechten. „Deutschland nahm meinen Vater mit offenen Armen auf. So hat er es empfunden, und dafür war er dankbar. Er schloss daraus, dass er diesem Land alles geben und sich öffnen musste. Uns Kindern war aufgrund der Geschichte und des Beispiels meines Vaters klar: Wir haben in Deutschland alle Chancen und die müssen wir ergreifen. Unser Vater …hat den Stab an uns übergeben“ (Tekkal 2016: 88).

Als sie sich entschließt als junge, nicht verheiratete, alleinstehende Frau zum Studium nach Bielefeld zu ziehen, kam es zum massiven Konflikt mit ihrer Mutter. Düzen Tekkal bestand aber darauf, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und als Tochter einer jesidischen Familie ein eigenständiges Leben zu führen. Inzwischen hat sich die Mutter mit ihrer aufmüpfigen Tochter versöhnt, die so erfolgreich ist, dass sie stolz auf sie ist und auch auf ihre anderen starken Töchter, die einen ganz anderen Lebensweg einschlagen als die Mutter.

Düzen Tekkals Frauenbewusstsein speist sich aus den Erfahrungen und Reflexionen der Konflikte in ihrem Leben in einer jesidischen Großfamilie und einem ‚emanzipierten‘ Lebensmodell von Frauen in der europäischen Kultur. Sie findet aber auch in ihrer Familie und Herkunftskultur starke Frauen, an denen sie sich orientiert.
Kann Düzen Tekkal als ‚Musterbeispiel‘ einer gelungenen Integration von Migrantentöchtern gelten? Sie selbst beschreibt sich als integrierte Deutsche, die mit kritischem Blick auf die Mehrheitsgesellschaft und die ‚Anderen‘ schaut, die nicht integriert sind und sich nicht integrieren wollen. Das bedeutet für sie nicht, ihre jesidische Identität aufzugeben oder diese zu ignorieren, sondern Vielfalt auf dem Hintergrund gleicher Wertvorstellungen zu leben.
Politisch hellwach und engagiert schreibt sie. „Ich wünsche mir mehr Bekenntnis zur Freiheit und weniger zur Religion“ (Die Zeit, 01.02.2018).

Auszeichnungen

Düzen Tekkal erhielt folgende Preise:

  • 2010 „Bayerischer Fernsehpreis“ für die Reportage: Angst vor den neuen Nachbarn
  • 2017 “Ramer Award for Courage in the Defense of Democracy” verliehen vom American Jewish Committee
  • 2018 Preis „Frau Europas“ von der Europäischen Bewegung Deutschland

Wegmarken

Düzen Tekkal wurde 1978 in Hannover als Tochter eines jesidisch-kurdischen Elternpaares mit 11 Kindern geboren. Sie studierte Politik und Literaturwissenschaft an den Universitäten in Bielefeld undHannover. Sie ist eine Vorzeige-Frau mit Migrationshintergrund, ein Begriff, den sie lieber in ‚Migrationsvordergrund‘ ändern würde. Als Kind der zweiten Einwanderungsgeneration hat sie die Chancen wahrgenommen, die ihr diese Gesellschaft bietet und ist – allen Widerständen zum Trotz – ihren eigenen hürdenreichen Weg gegangen.

Düzen Tekkal ist eine Kämpferin mit Wort und Bild, die Freiheit und Demokratie nicht als selbstverständlich ansieht, sondern als Errungenschaft. Für den Erhalt dieser Werte macht sie sich stark und hinterfragt dabei kritisch die Rolle der Frauen in ihrer jesidischen Herkunftskultur und in der deutschen Gesellschaft.

Reportagen, Filme, Interviews

2016

  • Laudatio für Freya Klier anlässlich des der Verleihung des Franz Werfel Preises
  • Süddeutsche: „Eine Komfortzone gibt es nicht mehr“
  • Rheinische Post: Interview: Ich lasse mir mein Deutschsein nicht nehmen“

2015

  • Hawar: Meine Reise in den Genozid
  • Arte Journal: Jesidinnen im Irak: Freikauf als einzige Chance
  • You tube: Neues Wir? Einwanderungsland Deutschland
  • Arte-metropolis – Ein Volk auf der Flucht
  • WDR 5: Neugier genügt – Radiointerview

Veröffentlichungen

  • Düzen Tekkal: „Deutschland ist bedroht. Warum wir unsere Werte verteidigen müssen“, Berlin Verlag 2016
  • Düzen Tekkal: Ich wünsche mir mehr Bekenntnis zur Freiheit und weniger zur Religion. In: Die Zeit, 01.02.2018

https://duezentekkal.de/engagement/