Gudrun Koch – 1. Preisträgerin 2006
Gudrun Koch war engagierte Lehrerin und streitbare Dozentin an Volkshochschulen. Sie verstand ihre Arbeit nicht nur als Wissensvermittlung, sondern legte vor allem Wert auf den pädagogischen Auftrag. Sie studierte Theaterwissenschaften in Berlin und Paris. Heute ist sie als Kulturmanagerin und Mittlerin zwischen verschiedenen Kulturen mit feministischen Filmen, Theaterstücken, Vortragsreihen und -veranstaltungen aktiv.
Gudrun Koch ist ihren Ideen von einer gerechten und menschlichen Welt immer treu geblieben. Angefangen hat es mit der Gründung der Frauenaktion Dortmund FAD, zu der nach einer kurzen Zeit bereits über 100 Frauen gehörten, deren Ziel es war, die patriarchalische Gesellschaft zu verändern.
Bei allen unterschiedlichen Projekten, die sie in Angriff genommen hat, ging es immer darum, die Frauen aus der Unsichtbarkeit in die Öffentlichkeit zu holen, sie zu unterstützen und zu fördern. Sie ist dort für Frauen aktiv, wo sich neue politische Verhältnisse entwickeln, zum Beispiel in den neuen Bundesländern, oder versucht patriarchalische Strukturen aufzubrechen wie bei ihrer Theaterarbeit.
Gudrun Koch hat nicht nur auf eine sichere Beamtenkarriere verzichtet, sondern vielmehr ihre materielle Lebensgrundlage aufs Spiel gesetzt, um ihren Traum von einer für Frauen gerechten und von Frauen zu schaffenden Welt umzusetzen und einen schier aussichtslosen Kampf gegen verkrustete Strukturen geführt.
Die Gründung der Europäische Frauen Aktion (EFA) e.V. in Berlin und ihre Projekte zeigen ihre Weltoffenheit, ihren Grenzen überschreitenden Einsatz für das Sichtbarmachen der Leistungen von Frauen vieler Länder und ihr Bemühen um Toleranz und Verständigung zwischen den Kulturen und Nationen.
Veranstaltungen zwischen Kultur schaffenden Frauen aus Ost und West, jüdischen und nicht jüdischen Frauen, christlichen und islamischen Frauen, zwischen deutschen, französichen und polnischen Wissenschaftlerinnen und Künstlerinnen oder der Aufbau einer kulturellen Zusammenarbeit zwischen tunesischen und deutschen Frauen lassen erkennen, wie weit ihr Schaffensspektrum reicht.
Was zeichnet zusammenfassend Gudrun Koch als aufmüpfige Frau aus:
- sie ist unbequem
- sie hält mit ihrer Meinung nicht zurück
- sie hat Visionen
- sie verliert das Ziel – trotz aller Widerstände – nicht aus den Augen.
Für ihren Mut und selbstlosen Einsatz für eine gerechtere Welt, in der nicht wie heute üblich Karrierestreben und materielle Werte im Vordergrund stehen, wollen wir diese außergewöhnliche Frau mit dem Preis der Stiftung „Aufmüpfige Frauen“ auszeichnen.
Anschrift
Gudrun Koch
Hessenring 16
D 12101 Berlin
gudrunkoch@gmx.net
Tel/Fax 030/686 41 90
Biografie von Gudrun Koch
Zum Lebenslauf
1945 | Geburt in Kolberg/Ostpommern |
1964 | Abitur in Wetter/Ruhr |
1964-1970 | Studium der Erziehungswissenschaften in Dortmund und Berlin; Abschluß nach 1. und 2. Staatsexamen für Grund- und Hauptschule |
1967-1973 | Hauptschullehrerin |
1974-1977 | Aufbaustudium der Sozialwissenschaften und der Erwachsenenbildung Dozentin VHS Dortmund, Mitbegründerin der Frauenaktion Dortmund (FAD) |
1978-1979 | praktische Theaterausbildung in Berlin, Dozentin VHS Berlin-Kreuzberg |
1980-1989 | freies Studium der Theaterwissenschaften und experimentelle Theaterarbeit in Paris |
1990-2006 | Aufbau eines europäischen Frauen-Kulturvereins, der Europäische Frauen Aktion (EFA) e.V. Berlin, Planung und Durchführung von Veranstaltungen in Europa und Nordafrika, Dokumentarfilme |
Die Europäische Frauen Aktion
1990 kehrte Gudrun Koch von Paris nach Berlin zurück und gründete nach einem deutsch-französischen Frauentreffen von frei schaffenden Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen die Europäische Frauen Aktion (EFA) e.V.
Auszug aus der Präambel: „Die Europäische Frauen Aktion hat sich zum Ziel gesetzt, kulturelles Schaffen von Frauen und die ihnen eigene kulturelle Identität zu fördern, sie einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren und ihre für unsere Gesellschaften konstitutive Bedeutung den Menschen bewußt zu machen. Kulturelle Werke von Frauen durchziehen nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche. Ihre Bedeutung, Schönheit und Vielfalt bedarf größerer Anerkennung. Die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrh. haben in unermüdlicher Forschungsarbeit große Wissensmengen über vergessene oder nie beachtete Leistungen von Frauen ans Tageslicht befördert. Damit haben wir für kommende Frauengenerationen wichtige Identitätsfaktoren geschaffen, die ein neues selbstbewußtes Frauenbild zunehmend ermöglichen und Bausteine für die kulturelle Identität der Europäerinnen und Europäer setzten.“
Seit 1990 bis heute hat Gudrun Koch versucht, in Veranstaltungen, Seminaren, Kongressen, aber auch durch Produkte, wie Bücher, Kalender, Hörspiele, Filme, dem reichen kulturellen Erbe von Frauen mehr Gehör zu verschaffen.
Im Jahre 2004 gelang es Gudrun Koch, die französiche Ethnologin und Widerstandskämpferin Germain Tillion, der wir eines der Grundlagenwerke über das KZ Ravensbrück verdanken, als europäisches Vorbild für Versöhnung und Verständigung mit dem Großen Bundesverdienstkreuz auszeichnen zu lassen.
Auszüge aus der Theaterarbeit:
Theaterprojekte
1982 | „Frauen imSchatten“ -zur Geschichte der Frauen von 1900- 1945, Paris |
1985 | „‚C’est la vie -Wert der Ware Frau – oder wie entkleide ich ein Melodrama?“, Paris |
1989 | „Klytämnestra – Spiegel und Labyrinth, Paris/Berlin |
Auszüge aus der Arbeit in der Europäische Frauen Aktion (EFA) e.V.
1990 | West – Östlicher Diwan kulturschaffender Frauen aus Ost und West, Frauen aus zwei deutschen Kulturen präsentieren ihr Selbstverständnis und suchen die Verständigung. Monatliche Veranstaltungsreihe. |
1990 | „Der andere Blick auf das Leben“ Grenzüberschreitender Kongreß mit 400 Frauen zum Aufbau von Fraueninitiativen in den neuenBundesländern in der Akademie der Künste Berlin. Emanzipation Ost trifft Emanzipation West. Frauen aus beiden Teilen Deutschlands lernen den Umgang miteinander. |
1991 | „Und … lasse Dich werden wie Sarah, Rebecca, Rahel und Lea!“ Frauenbilder aus dem alten Testament 1. Veranstaltungsreihe zur Frage der kulturellen Identität von jüdischen und nicht jüdischen Frauen, Versuch einer Verständigung auf dem Hintergrund der deutschen Geschichte |
1992 | „Wo Du hingehst, da will auch ich hingehen!“ (Zitat aus dem Alten Testament: Ruth zu Noemi) – 2. Veranstaltungsreihe zu weiblichen jüdischen Vorbildern, zur Geschichte jüdischer Frauen und zum Antisemitismus in den beiden deutschen Staaten nach dem Krieg. |
1992 | Deutsch – Polnisches Feminarium, Tagung von Wissenschaftlerinnen, Künstlerinnen und Vertreterinnen des öffentlichen Lebens aus Polen Darstellung der Situation der polnischen Frauen nach der Befreiung und Präsentation der Selbstorganisation der Frauenprojekte, -vereine und -verbände in Berlin |
1993 | Aufbau einer kulturellen Zusammenarbeit mit der Association des Femmes Tunisiennes in Tunis Edition des ersten Frauenkalenders im Maghreb und von Dissertationen über Frauen in Tunesien |
1994 | Konzeptioneller Aufbau des Pilot -Projektes AD SORORES, Schaffung eines Modells für die Kooperation europäischer Frauen Kulturbetriebe Erarbeitung eines gemeinsamen Kulturprogramms zwischen Frauenorganisationen aus Warschau, Paris und Berlin |
1995 | „Und immer wieder das Leben!“ Veranstaltung mit siebzigjährigen Frauen aus Warschau, Paris und Berlin 50 Jahre nach Beendigung des zweiten Weltkrieges. Wie haben Frauen das Ende des zweiten Weltkrieges erlebt, und wie war das, damals jung zu sein? Berichte und Erfahrungsaustausch |
1996 | „Die Welt zusammen weben“ Erstellung des Dokumentarfilms zur IV. Weltfrauenkonferenz in Peking/ Huairou 1995, Zahlreiche Veranstaltungen mit Filmvorführungen zur Verbreitung der von den Vereinten Nationen verabschiedeten Pekinger Aktionsplattform zur Definition der Rechte der Frau im 21. Jahrhundert |
1996 | Berberfrauen Nordafrikas als Vermittlerinnen einer Jahrtausende alten Kultur von Frauen, Präsentation von Arbeitsergebnissen der Kooperation mit Frauen aus dem Maghreb auf dem Symposium „Innovation und Tradition in der Kunst von Frauen |
1997 | „Mythos Europa – was bringt es den Frauen?“ vom Mythos der Dame Europa, Symbol des zivilisationsgeschichtlichen Hintergrunds eines Kontinents, bis zu seiner politischen Realität und ihren Auswirkungen für die Frauen heute – eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der Europa Universität“Viadrina“ in Frankfurt |
1997 | „Beginen zum Beispiel…“ Dokumentarfilm zur Geschichte der Lebensart der Beginen, einer mittelalterlichen gemeinsamen Organisations- und Lebensform von Frauen, die nach der Wende 1989 auf alleinerziehende Frauen in Rostock als Vorbild wirkt und von ihnen auf ihre Weise fortgesetzt wird. Zahlreiche Filmvorführungen zum Thema alleinerziehender Frauen in den neuen Bundesländern |
1998 | „Depuis la nuit des temps“ „Seit Anbruch der Zeiten“ Femmes berbères – Mémoire millenaire et vivante Dokumentarfilm in Zusammenarbeit mit „ELLES FONT“ (Ass.1901), Paris zu den Berber Frauen Nordafrikas als Übermittlerinnen Jahrtausende alter eigener religiöser Riten am Beispiel von Steinkulturen und rituellen Tattooierungen |
1999 | „PARISIS“ – ein Spaziergang durch die Jahrhunderte mit der ägyptischen Göttin Isis in Paris Dokumentarfilm in Zusammenarbeit mit „ELLES FONT“ (Ass.1901), Paris über die Metamorphosen eines jahrhundertealten Mythos über den Ursprung der Stadt Paris und ihre Namensgebung |
1999 | „Höre, Europa den Frauen zu!“ – Europa hat die Wahl. Was kann Europa den Frauen bringen? Wie stehen Frauen zu Europa? Was erwarten sie von der Europäischen Union – was haben sie zu erwarten? Eine Veranstaltung zu den Wahlen des Europa Parlaments, in Zusammenarbeit mit der Europa-Universität „Viadrina“ – in Frankfurt (Oder) |
2000 | „Frauen ins Licht gerückt“, Filmbeitrag zur weltweiten Situation der Landfrauen für die Expo 2000 im Auftrag der Humboldt – Universität Berlin |
2001 | „Das 20. Jahrhundert der Frauen“ – Projekt Erstellung eines Hörbildes zur Geschichte der Emanzipation der Frauen im 20. Jahrhundert |
2002/3 | „EUROPAEA 2004“ Lebenswelten und Lebensweisen von Frauen in Europa, Konzeptionierung eins europäischen Frauen-Kulturkongresses |
2002 | Aus der Reihe: „Große Europäerinnen“: „Germaine Tillion“, Paris – Frankreich Ausstellung, Lesungen |
2003/04/05 | „Ergebnisse der Spurensuche nach dem kulturellen Erbe der Frauen“ Film- und Vortragsreihe in Paris und Berlin |
2003-2006 | „Zu den Ursprüngen antiker Frauenbilder“ |
2004 | Ein Ergebnis unserer Initiative Verleihung des Großen Bundesverdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland an die französische Ethnologin Germaine Tillion |
2005/6 | Ausstellung mit Fotografien von Germaine Tillion aus den Jahren 1936-1940 über die Berberbevölkerung des Auris -Gebirges/Algerien – ein Beitrag zur Versöhnung zwischen islamischen und christlichen Kulturen. |