Laudatio von Vivienne Olive für Renate Matthei

Sehr geehrte Damen und Herren,

Laudatorin für Renate Matthei: Vivienne Olive

Zuerst mal möchte ich mich bei den “Aufmüpfigen Frauen” bedanken, dass ich heute Abend eingeladen wurde und diese Möglichkeit habe, über meine Verlegerin, Renate Matthei, zu sprechen.

Als ich diese Rede vorbereitet habe, ist mir klar geworden, dass ich nach all den Jahren unserer Zusammenarbeit noch nie die Gelegenheit hatte, mich in aller Öffentlichkeit über Renate Matthei zu äußern, meine Bewunderung auszusprechen, mich bei ihr zu bedanken,

Ich gehe zurück zu unserer ersten Begegnung:

Es ist wirklich lange her, dass ich Frau Matthei zum ersten Mal kennen lernte. “Kennenlernen” ist eigentlich nicht der richtige Ausdruck. Ich habe sie eher nur am Rande wahrgenommen bei einer der ersten Versammlungen des Vereins “Frau und Musik”. Renate saß da, ganz unauffällig und still. Sie wurde zwar vom Vorstand vorgestellt, hat aber kaum was gesagt.

Allerdings wurde ich sehr aufmerksam, weil ich schon lange auf der Suche gewesen war, einen Verlag für meine Werke zu finden. Ich hatte einige sehr entmutigende Erlebnisse hinter mir – Verlage die an meiner Arbeit zwar interessiert waren, dessen Interesse doch immer mit einem großen “ABER” verbunden war.

Das größte ABER kam vom Verlag Edition Modern, der behauptete, man würde mich als Komponistin zwar zu schätzen wissen, hätte schon den “Mut” gehabt, mich zu betreuen, aber ich müsste trotzdem verstehen, es sei schwierig, eine Komponistin “an den Mann zu bringen”. Ich hatte schon vier Werke bei Tonos Verlag unterbringen können, der aber bis zum heutigen Tag – nach ca. 40 Jahren – mich weder kontaktiert noch eine Abrechnung geschickt hat.

Sie müssen bedenken, dass ich von Erlebnissen aus den späten 70er bzw. frühen 80er Jahren berichte. Damals war die Situation noch sehr schwierig für Komponistinnen. Ich könnte weiter reden über meine Studien in Italien zum Beispiel, über anzügliche, höhnische Bemerkungen in der Kompositionsklasse dort. Es würde den Rahmen dieser Preisverleihung sprengen, wenn ich mich weiter darüber auslassen würde – aber ich möchte, dass Sie sich ein Bild von der damaligen Situation für Komponistinnen machen.

Nach diesen frustrierenden Erfahrungen kam dann Renate Matthei mit ihrem neu gegründeten Verlag genau zur richtigen Zeit.

Ich war übrigens Gründungsmitglied vom Verein “Frau und Musik”, und ich kam nach Hause nach der eben erwähnten Sitzung, wo Renate Matthei anwesend war, und habe mich sofort mit ihr in Verbindung gesetzt.

Nun – und hier muss ich auf was ganz ungewöhnliches hinweisen:

Frau Matthei kam mich besuchen. Sie hat sich tatsächlich die Mühe gemacht, nach Nürnberg zu fahren, um mich kennenzulernen und mit mir eine mögliche Zusammenarbeit zu besprechen.

Wenn ich dieses höfliche, rücksichtsvolle Benehmen mit meinen bisherigen Erfahrungen mit anderen Verlagen vergleiche, wo man quasi als Bettlerin immer wieder Werke hinschicken, Monate lang auf eine Antwort warten musste, immer wieder Absagen bekam……und jetzt kam diese Frau zu mir, wollte mit mir sprechen, und mehr über meine Musik erfahren – das war fast unglaublich!

Auf ihre stille, unscheinbare Art hat Frau Matthei mir zugehört, und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, von einer Verlegerin ernst genommen zu werden.

Und nun – wieviele Jahre ist das her? Über 35 Jahre. Und Furore Verlag hat inzwischen um die 60 Werke von mir herausgebracht. Und nicht nur einfach gedruckt und veröffentlicht. Das Team im Furore Verlag war immer bei meinen wichtigsten Aufführungen mit dabei, hat mich liebevoll betreut, und ich fühlte mich von echten Freunden unterstützt.

Es gibt heute– das weiß ich – Leute, die meinen, ein solcher Verlag, der nur Werke von Frauen veröffentlicht, sei jetzt überholt. Ein solches Unternehmen wird mitunter sogar belächelt. “So was brauchen wir nicht mehr!”.Und es stimmt, es hat sich seit den 80er Jahren schon einiges verändert. Man weiß jetzt, dass es Komponistinnen gibt. Warum sollte man weiterhin, Komponistinnen eine Extrabehandlung zuteil kommen lassen, als wären sie merkwürdige Exoten?

Dazu möchte auf zwei Sachen hinweisen:

Erstens: Sicherlich, heutzutage haben Frauen keine Probleme mehr, an Hochschulen von einer Kompositionsklasse aufgenommen zu werden, Werke von zeitgenössischen Komponistinnen erscheinen regelmäßig auf Konzertprogrammen, zusammen mit ihren zeitgenössischen männlichen Kollegen.

Aber ich rede hier von “zeitgenössisch”. Es gibt aber noch immer viel Nachholbedarf, was Komponistinnen aus früheren Jahrhunderten betrifft. Die Werke von Komponistinnen aus der Renaissance, Barockzeit, Klassik und Romantik werden immer noch in der Unterrichtsplanung an Schulen und Hochschulen vernachlässigt – nicht zuletzt weil man Schwierigkeiten hat, an das Material heranzukommen.

Hier hat Furore Verlag einen Riesendienst geleistet. Im Katalog finden Sie nicht nur Werke von zeitgenössischen Komponistinnen sondern Werke auch von zahlreichen Komponistinnen aus früheren Jahrhunderten, die bis jetzt unbekannt blieben. Werke von: Bettine von Arnim, Mel Bonis, Lili Boulanger, Hildegard von Bingen, Francesca Caccini – ich bin erst bei Buchstabe “C” im Katalog von Furore angelangt…..

Und jetzt können diese Werke endlich von jedem gekauft, analysiert, im Unterricht behandelt, und aufgeführt werden.

Zweitens: Auch wenn man in den europäischen Großstädten und an Hochschulen den Eindruck bekommen könnte, es hätte sich die Situation der Komponistinnen verbessert – dann sollte man vielleicht einen Blick auf ländliche Gegenden werfen und miterleben, wie es z. B. im Amateurbereich, bei Gesangsvereinen und Posaunenchören aussieht.

Als gebürtige Engländerin habe ich in den letzten Jahren erlebt, wie Komponistinnen jetzt endlich vermehrt bei den wichtigsten Londoner Festivals vertreten werden. Besonders die zeitgenössischen Komponistinnen.

Bei den Komponistinnen aus früheren Jahrhunderten sieht es jedoch eher schlecht aus. Und außerhalb der Großstädten werden Komponistinnen immer noch kaum wahrgenommen.

Vor fünf Jahren habe ich ein Musikfestival in einem bekannten Dorf in Mittelengland gegründet: The Brixworth Music Festival. Und zwar mit großem Erfolg. Nächstes Jahr werden wir 11 Konzerte im Mai veranstalten: Orchesterkonzerte, Chormusik, frühe Musik, Kammermusik, und, und, und – auch einen jährlichen Wettbewerb für Komponistinnen habe ich eingeführt, um die Aufmerksamkeit auf Komponistinnen zu lenken.

Aber können Sie sich vorstellen, was es jedes Jahr für ein Kampf für mich ist, darauf hinzuweisen, dass – bitte! – Werke von Frauen aufgeführt werden? Ich glaube nicht einmal, dass es bös oder diskriminierend gemeint ist. Aber viele Amateurensembles, Blechbläserkapellen und Chöre haben eben hauptsächlich Musik von Männern in ihrem Repertoire und wissen einfach nicht, dass es entsprechende Werke von Frauen gibt.

Und hier hat Furore Verlag wieder einen bahnbrechenden Dienst geleistet. Letztes Jahr – zum Beispiel – hat der Verlag einen Kompositionswettbewerb für das Blechbläserquintett des Heeresmusikkorps Kassel veranstaltet, so dass Frauen endlich die Chance hatten, für ein seriöses, professionelles Ensemble der Bundeswehr zu komponieren. So was gab es nie.

Und damit möchte ich betonen, dass – auch wenn man in den europäischen Großstädten den Eindruck bekommen könnte, es gehe jetzt endlich den Komponistinnen viel besser – in vielen Bereichen und, besonders in ländlichen, Gegenden, ist im Grunde noch nicht allzu viel passiert.

Es gibt also immer noch sehr viel zu tun: Im Unterrichtswesen, im Amateurbereich, in anderen Bereichen die immer noch überwiegend von Männern beherrscht sind – beim Militär, bei Orchestern, in der Kirche. Die Arbeit vom Furore Verlag ist schon längst nicht überholt und überflüssig geworden. Sie hat ja im Grunde gerade erst angefangen…

Renate Matthei hat Komponistinnen aus aller Welt und aus allen Jahrhunderten einen Dienst erwiesen, den man kaum in Worten beschreiben kann. Einen vergleichbaren Verlag gibt es nirgends auf der Welt. Der Verlag ist einfach einzigartig. Und ich möchte mich nicht nur bei Renate Matthei für die jahrelange Betreuung bedanken, sondern ihr auch herzlich gratulieren, dass ihre Arbeit immer mehr die verdiente Anerkennung bekommt.

Herzlichen Dank, liebe Renate!

Und herzlichen Dank, liebes Publikum, dass Sie mir zugehört haben.