2006 Rede Prof. Dr. Sigrid Metz-Göckel

Rede Prof. Dr. Sigrid Metz-Göckel, Stifterin

11. November 2006 mit 500 geladenen Gästen in der Bürgerhalle des Rathauses der Stadt Dortmund

Eine Stiftung zu gründen, ist wunderbar!

Ein Traum wird wahr! Der Traum, unsterblich zu sein!
Denn eine Stiftung überlebt in aller Regel ihre Stifter und Stifterinnen.
Nur wer quer denkt, kann die Richtung ändern, lautet ein Motto unserer Stiftung.

Man kann darüber sinnvollerweise und vortrefflich streiten.

Denn Aufmüpfig hat einen merkwürdigen Klang!

Wir haben im Vorstand immer wieder über den Namen beraten und immer wieder wurde uns von ihm abgeraten, gerade auch von Liz Mohn, die ich um Rat fragte und noch in der gestrigen Post.

Bei meinen Umfragen: Was assoziierst Du oder Sie mit aufmüpfig?
kam Unterschiedliches heraus:

Pfiffig und Frech
sich nicht alles gefallen lassen
einen eigenen Willen haben
etwas Konstruktives gegen die Regel tun
etwas nicht in Ordnung finden und was dagegen machen, also aufmucken
auffallen
aber auch:

das ist altmodisch, ein bisschen spießig und
vor allem Kinder sind aufmüpfig.
Wir aber sind sehr gesittete, schon etwas in die Jahre gekommene Frauen, die sich für diesen Namen entschieden haben. Aufmüpfig ist von uns auch ein bisschen selbstironisch, gegen den Strich gebürstet, wie dies die Hexen und Krüppelgruppen, und Schwule und Queers auch tun. Aufmüpfig ist man oder frau in den Augen von Anderen, denen man irgendwie nicht passt.

Wir wissen daher um die Ambivalenz dieses Begriffs und haben ihn doch beibehalten.

In der Vieldeutigkeit liegt nämlich auch ein Charme. Nicht Infantilisierung, sondern Zivilcourage verbinden wir mit dem Begriff, über den wir gern die Definitionsmacht erringen würden. Vielleicht ist couragiert eine angepasste Deutung, die wir ihm geben sollten.

Entstanden ist die Bezeichnung aufmüpfig ganz spontan und zwar so:
Lang, lang ist’s her, dass der Stiftungsgründungprozess begann:
1990 war ich als Sachverständige Mitglied einer Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages und mit den Diäten habe ich meinen Geburtstag sehr groß gefeiert. Anstatt Blumen wünschte ich mir Spenden auf das Konto: Aufmüpfige Frauen, weil ich eine Stiftung gründen wolle. Es kamen 30.000 DM zusammen und somit musste ich dann wirklich eine Stiftung gründen.

Man oder Frau muss nicht furchtbar reich sein,
um eine Stiftung zu gründen. Es reichen etwa 50.000 Euro. Das sage ich hier, weil vielleicht auch einige die Idee entwickeln könnten, eine Stiftung zu gründen.

Frauen haben jetzt nicht nur geerbtes Geld.

Frauen haben jetzt immer öfter auch selbst erarbeitetes Geld, das sie nicht persönlich verbrauchen. Sie vererben es meistens in ihrer Familie weiter, und das ist auch gut so. Aber es kann ja auch ein Rest übrig bleiben oder nicht alle haben eine Familie, der sie etwas vererben können oder wollen.

Natürlich ist es besser, wenn man mehr als 50.000 Euro Grundkapital hat.

Wir haben 15 Jahre gebraucht, bis wir entschieden haben, dass unser Grundkapital reicht, um zu beginnen, den Stiftungszweck zu erfüllen.

Welchen Zwecken dient denn nun die Stiftung „Aufmüpfige Frauen“

Aufmüpfig, das bedeutet in unserem Verständnis keineswegs,

besonders schrill oder sensationell anders zu sein,
oder gar Unartigkeiten an den Tag zu legen, kindische und unliebsame in der Erwachsenwelt.
Nein, solche Erwartungen werden wir enttäuschen.

Angepasste Frauen müssen wir nicht unterstützen! Warum auch?

Wohl aber solche, die aus der Reihe tanzen, die aus eigener Kraft – ohne eine große Organisation im Rücken -, etwas bewegen, etwas sozial und kulturell Kreatives schaffen, das Vorbild für andere sein kann und unsere menschliche Umwelt humanisiert. Es ist also eine Stiftung der Frauen, aber nicht nur für Frauen und über die Spenden auch nicht nur der Frauen, um es ökonomisch auszudrücken.
Wir sind Frauen, die wissen was sie tun: Aus der Reihe zu tanzen, ist vor allem ein intellektueller Prozess, eine Frage von Einstellungen, Werten und Deutungen.

Die Presse präsentiert uns immer wieder mutige Frauen, die etwas Herausragendes geleistet haben, z.B. die türkische Rechtsanwältin, die schlimme Bedrohungen standhalten muss, die Frauen, die Terre de Femmes organisieren oder medica mondiale. Diese sind schon bekannt. Es gibt aber auch noch viele unbekannte bekannt zu machen.

Wir werden Ihnen gleich zwei aufmüpfige Frauen vorstellen. Wir zeichnen heute zwei aus, um eine breite Palette anzudeuten und wie Felizitas Sagebiel gestern bei der Pressekonferenz sagte, repräsentieren diese die unterschiedlichen Wege der Frauenbewegung prototypisch in ihrer Person: Gudrun Koch hat sich gegen die etablierten Institutionen entschieden und neue geschaffen, Aylâ Neusel hat innerhalb der Institutionen Hochschule und Wissenschaft kleine Revolutionen angestoßen, was vor ihr keiner gewagt hat. Wir werden nicht nur gut ausgebildete deutsche Frauen fördern, sondern in der globalen Welt nach Frauen suchen, die nationale und kulturelle Grenzen sprengen und etwas getan haben, was vorbildlich sein kann.

Wir sind nämlich eine gesellschaftspolitische Stiftung, weder eine karitative, noch eine schockierende Stiftung, sondern eine feministische, die mit den Geschlechterfragen ganz allgemeine menschliche Fragen verbindet.

Natürlich hat die Stiftung etwas mit der Stifterin, mit mir selbst zu tun. Als junge Wissenschaftlerin, die hier in Dortmund feministisch inspiriert wurde, habe ich vor allem die Erfahrung des Andersseins in der Wissenschaft gemacht. Mich an der Uni durchzuboxen, – ich hasse boxen – war ein anstrengender Prozess mit vielen Verletzungen, Traurigkeiten und unzähligen schlaflosen Nächten. Ich passte überhaupt nicht in die Vorstellungen meiner Kollegen, die – mich als Kollegin wahrzunehmen – meistens überfordert schienen. Aufmüpfig war ich in ihren Augen bestimmt, als ich begann, mich als erwachsene Frau und Professorin noch dazu für Frauen einzusetzen.

Warum eine Stiftung Aufmüpfige Frauen?

Ich habe es immer als ein besonderes Privileg empfunden, mir schon seit vielen Jahren keine finanziellen Sorgen mehr machen zu müssen und als Beamtin auf Lebenszeit eine gesicherte Zukunft zu haben. Deshalb ist die Stiftungsidee schon sehr lange in mir gereift und zwar bewusst als Stiftung zur Unterstützung aufmüpfiger Frauen.

Aus einem mir selbst nicht immer ganz geheuerlichen inneren Antrieb heraus habe ich die Gesellschaft schon immer mitgestalten wollen, auch meine Universität, wozu ich nur ein ganz klein bisschen die Gelegenheit hatte. Als Soziologin ist frau ja geradezu berufen, zwischen gesellschaftlichem Engagement und Wissenschaft hin- und her zu pendeln.

Denn eine Bürger/innengesellschaft braucht aktive Mitglieder, die nicht auf Vordermann denken, nicht stromlinigförmig sind und sie braucht solche Frauen allzumal.

Seit sich Frauen die bürgerlichen Rechte erkämpft haben, gestalten sie die Gesellschaft zwar mit, aber was heißt es schon, wählen zu dürfen, wenn einem die Politiker nicht passen und ihre Entscheidungen noch weniger. Wenn die Gremien so besetzt sind, dass einem das Grauen ankommen kann. Sich in den erstarrten Strukturen zu bewegen, fordert einen Überlebenskampf heraus, der wertvolle Energien frisst. Haben nicht doch die meisten – hier und da – die Erfahrung gemacht, aus der Reihe tanzen zu sollen oder zu müssen, als einzelne gegen den Strom die Stimme erhoben? Wie ist es ihnen, Mann oder Frau, dabei ergangen? Wer hat sie ermutigt und unterstützt? Und wie kann man das Persönliche ins Gesellschaftliche wenden?

Unsere Stiftung hat eine gesellschaftspolitische Zielsetzung, ich sage es noch mal, keine karitative. Frauen sollten in allen gesellschaftlichen Bereichen ihre Ideen und ihre Vorstellungen einbringen, nicht nur in der Familie und der Wohnungseinrichtung, Mode und Schönheitspflege.

Wir möchten Personen stärken, die in ihrem Anderssein und Anderes-Tun immer wieder barsche Kritik, Widerstand und Abwertung erfahren. Wir stellen uns vor, wenn wir mehr Geld zum Ausschütten haben, auch die Projekte der aufmüpfigen Frauen zu fördern. So können wir Aufmüpfigkeit breit streuen und in der Bewegung mit den aufmüpfigen Frauen gemeinsam Aufmüpfigkeit definieren.

Die Stiftung möchte Frauen unterstützen, die allein, aus eigener Kraft etwas tun, das aneckt, aber aus einer anderen Perspektive oder im Nachhinein sehr hilfreich und weiterführend ist.

Pionier/innen haben es schwer, Querdenker/innen auch.

Wir beobachten zurzeit eine Stiftungsgründungsbewegung.

Es gibt noch sehr wenige Stiftungen von und für Frauen (genau gesagt 23 Stück!) mit sehr unterschiedlichen Zielsetzungen. Dieses Stiftungsfieber hat mehrere Gründe:

Man oder frau kann Steuern sparen,
man oder frau kann die öffentlichen Haushalte entlasten, die immer weniger Geld haben,
man oder frau kann Lücken füllen, die sich in sozialen, kulturellen und anderen Feldern auftun,
man oder frau kann eigene Ideen verwirklichen.
Dem Feminismus Anerkennung zu verschaffen und zu einer Kultur der Wertschätzung aufmüpfiger Frauen beizutragen, ist ein echtes Demokratiegebot, dem wir uns verpflichtet fühlen.

Die Erfahrung heute stärkt uns, dass die alten Netze tragen und die Frauenbewegung lebt, auch wenn sie in den Institutionen angekommen ist.

Bedanken

Ich möchte mich bedanken bei der Stadt Dortmund, die uns diesen wunderschönen Raum zur Verfügung gestellt hat, schade nur, dass man hier am helllichten Tage keine neuen Medien einsetzen kann, insbesondere aber beim Frauenbüro, mit der die Zusammenarbeit wunderbar war, Sigrid Rahmann-Peters und Frau Röper und natürlich Brigitte Wolfs.

Bei denen, die uns im Vorfeld der Vorbereitung geholfen haben, z.B.

  • Petra Selent und Marion Kamphans für Gestaltung und Pressekontakte und
  • Manuela Borg und Gabriele Marl von der Fachhochschule Dortmund, die uns das Design und alles Weitere für die Stiftung entworfen haben.
  • bei den Musikerinnen, Gilda Razani und ihren Crazy Sisters
  • bei Alice Schwarzer, die trotz engstem Terminplan hergekommen ist und für Aufmüpfigkeit per se steht.
  • und last not least Uta Rotermund, die Frauen kabarettistisch auf die Schippe nimmt. Mit Humor und Selbstkritik lässt es sich viel besser leben.

Frauen haben oft nicht viel zu lachen, besonders in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, dann ist es gut, wenn sie auch mal über sich selbst lachen können.

Ich bin gespannt auf ihre Beiträge.

Bedanken möchte ich mich aber auch bei allen, die bisher dem Verein Aufmüpfige Frauen gespendet haben. Denn wir haben zur Vorbereitung der Stiftung einen gemeinnützigen Verein gegründet, der steuerabzugsfähige Spenden gesammelt hat.

Und beim Studentenwerk, das für unser leibliches Wohl gesorgt hat.

Und wer sind wir?

Wir, das ist ein Kreis von aktiven Frauen, die bisher den Vorstand des Vereins und in der Übergangszeit auch die Stiftung vorbereitet haben. Ich möchte mich von Herzen beim Vorstand bedanken, der bisher die Arbeit geleistet hat und Ihnen im Saal kurz die Mitstreiterinnen vorstellen

Hannelore Weihert, eine Frau der ersten Stunde der Frauenaktion Dortmund, d.h. seit 1967 in der autonomen Frauenbewegung aktiv. Von ihr habe ich seit meinen ersten Tagen in Dortmund viel gelernt. Sie ist in der Seniorenarbeit engagiert und da eine Kulturmanagerin eigener Art.

Dr. Ingrid Lessing, eine der ersten Mitarbeiterinnen im Frauenhaus der Stadt Dortmund, sie hat viel Bildungsarbeit mit jungen und älteren Frauen gemacht hat, ihre Kirchengemeinde aktiviert und nun führt sie ihren eigenen Verlag mit Büchern von Frauen.

Karola Pohlhausen, Rechtsanwältin in Dortmund, vielseitig sozial, kulturell, frauen,- und bürgerpolitisch engagiert. Sie managt nicht nur ihre Kanzlei, sondern steht auch uns rechtlich zur Seite und nicht nur dies.

Dr. Felizitas Sagebiel, Sozialwissenschaftlerin aus Wuppertal leitete mit leichter Hand bereits drei EU-Projekte und ist bewandert in der Hochschulpolitik wie keine andere. Aber das erstaunlichste ist, sie ist auf wissenschaftlichen Konferenzen weltweit präsent!

Eine Stiftung zu gründen, ist wunderbar. Ein Traum wird wahr, der Traum unsterblich zu sein, weiterzuleben über den Tod hinaus.

Versuchen Sie es auch.

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