2014 Rede Prof. Dr. Sigrid Metz-Göckel

Rede Prof. Dr. Sigrid Metz-Göckel, Stifterin

10. Oktober 2014 in der Bürgerhalle des Rathauses der Stadt Dortmund

Vielen Dank für die guten Worte zur Begrüßung und Einführung und noch mal ein herzliches Willkommen zur Feier des 10 jährigen Bestehens der Stiftung Aufmüpfige Frauen und der diesjährigen Preisverleihung. Es ist die 5. heute.

Sehr verehrte, liebe Gäste, der Begriff aufmüpfig ruft kontroverse Konnotationen, sehr viel Kritik und Widerstand hervor.

„Sie müssen als erstes den Namen ihrer Stiftung ändern“, sagte mir die Vorsitzende einer sehr großen bekannten Stiftung, zu der ich hingefahren war, um mich beraten zu lassen. Trotz heftigsten Drängens von außen konnten wir uns aber nicht dazu entschließen, den Namen zu ändern, denn wir wollen aufmüpfig sein, ein Stein des Anstoßes, vielleicht nur ein Steinchen, das Kreise zieht, wenn man es ins Wasser wirft.

Wir, das ist der Stiftungsvorstand, den sie auf der Willkommensfolie abgebildet sehen. Es sind von links nach rechts:

  • Dr. Ilse Kamski, Schulforscherin und jetzt selbständig.
  • Karola Pohlhausen, Rechtsanwältin mit einer eigenen Kanzlei in Dortmund
  • Sigrid Rahman-Peters, Sozialpädagogin, leitet das Familienprojekt dieser Stadt.
  • Prof. Dr. Felizitas Sagebiel, Universität Wuppertal, eine Sozialwissenschaftlerin mit interkontinentaler Tagungs- und Projekterfahrung.
  • Dr. Ute Zimmermann, Gleichstellungsbeauftragte und jetzt Diversitäts-Managerin der TU-Dortmund

Im Sinne der Stiftung heißt Aufmüpfigkeit:

  • Anstöße für Veränderung zu geben,
  • sich gegen Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen zu wehren,
  • sich zusammenzuschließen,
  • verdrängte Probleme öffentlich zu machen,
  • als Person selbständig zu werden und zu handeln.

Mit der Auswahl unserer Preisträgerinnen wollen wir deutlich machen, wofür die Stiftung Aufmüpfige Frauen steht. Sie sehen die bisherigen auf diesen Rollups hier, und es lohnt sich, sich diese genauer anzuschauen.

Die Stiftung Aufmüpfige Frauen ist also jung, ganz munter und (noch) klein, aber zugleich einzigartig und einmalig, schon allein wegen ihrer Namensgebung. Sie gehört zu den etwa 20 Frauenstiftungen, die aus der neuen Frauenbewegung entstanden sind und sich um die Verbesserung der Lebensverhältnisse von Frauen hier und in der Welt kümmern. Sie hat die Mitgliedsnummer 4.278 im Bundesverband Deutscher Stiftungen und ist eine von fast 20.000 Stiftungen bürgerlichen Rechts, die ein Gesamtkapital von mehr als 100 Mrd. Euro verwalten.

Wie kam es zur Gründung der  Stiftung?

Man oder frau muss nicht reich sein, um eine Stiftung zu gründen. Wie es zu dieser Gründung kam, das war so:

Schon sehr früh wollte ich eine Stiftung gründen, ohne Geld geerbt oder viel erspart zu haben. Meinen 50. Geburtstag habe ich ziemlich groß gefeiert, da ich als Sachverständige einer Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages relativ viel Honorar erhielt. Ich habe daher in die Einladung geschrieben: Anstelle von Blumen bitte ich um eine Spende auf das Sonderkonto: Aufmüpfige Frauen, da ich eine Stiftung gründen wolle. Es kamen erstaunlich viele D-Mark als Startkapital zusammen, dann habe ich den Verein Aufmüpfige Frauen gegründet, der steuerabzugsfähige Spendenquittungen ausstellen konnte und weiterhin kann und nach 15 Jahren Sparen und Einsammeln wurde 2004 die Stiftung dann formell errichtet.

Stiftungen sind eine Möglichkeit, sich im ganz kleinen oder größeren Rahmen einzumischen, Gutes zu tun und sich auch über den Tod hinaus unsterblich zu machen.

Doch bieten sie auch die Möglichkeit, sich mit anderen zu verbinden. Die Stiftung Aufmüpfige Frauen ist auch eine Form der Vergemeinschaftung (von Frauen). Seit Frauen nicht nur als Witwe oder mit ererbtem Familienvermögen Stiftungen gründen, sondern auch aus eigener Kraft, treten sie aktiv als Stifterinnen auf und wollen mitgestalten.

Mir jedenfalls geht so: Ich habe mit meinem Geschwistern und unserer Mutter in der Nachkriegszeit die Solidarität in der Not erlebt, und später hat mir die bundesdeutsche Gesellschaft das Studium ermöglicht und ein relativ privilegiertes Leben. Ich möchte etwas zurückgeben von dem, was ich erhalten habe: Materielle Unterstützung und symbolische Anerkennung. Ich möchte mich eingebunden fühlen in einer größeren Gemeinschaft.

Die Preisträgerinnen der Stiftung Aufmüpfige Frauen haben sich je auf ihre Weise auch immer für andere eingesetzt. Die sogenannte neo-liberale gesellschaftliche Entwicklung, die nur die Leistungsfähigkeit der Einzelnen herausfordert, ist mir sehr suspekt.

Noch ein paar Worte zum Auswahlprozess der Preisträgerinnen

Es gehen immer wieder auch interessante Vorschläge ein, meist per Internet. Auch die diesjährige Preisträgerin Marianne Pitzen und das Frauenmuseum sind uns von anderen empfohlen worden. Wir machen uns aber auch immer auch selbst Suche, denn die Preisträgerin sollte eine Feministin sein und noch nicht allzu bekannt. Umstrittenheit ist ein eher positives Merkmal. Sie sollte aus eigener Kraft etwas geschaffen haben, das weiter wirkt und Frauen wie dem Allgemeinwohl nützt. Wenn wir einzelne Frauen als Person stärken, dann weil viele Veränderungen auch über Personen vorangetrieben werden.

Schließlich sind wir zwar eine Dortmunder Stiftung, schauen aber über die Landesgrenzen hinaus und haben eine Polin und eine Afghanin bisher ausgezeichnet. Die ausführliche Beschreibung der Auswahlkriterien können Sie in der Broschüre nachlesen, die auf Ihren Tischen liegt.

Abschließend noch eine Antwort auf drei kritische Fragen an die Stiftung.

  1. Warum keine Hilfe in der Not?
    Wir erhalten immer wieder Bitten um vielfältigste Unterstützung. Aber wir sind keine karitative Stiftung, vielmehr wollen wir dazu beitragen, dass erst keine Not entsteht. Die Stiftung ist leider (noch) zu klein, um auch die Projekte der Preisträgerinnen langfristig zu unterstützen. Sie könnte Zu-Stiftungen gut gebrauchen,
  2. Warum eine Stiftung für Aufmüpfige Frauen? Haben Frauen hier nicht schon alles erreicht?
    Nein, wenn wir uns in der Welt umschauen und bei uns genauer hinsehen, dann liegt noch vieles im Argen, was ich hier leider nicht mehr ausführen kann.
  3.  Könnte auch ein Mann ausgezeichnet werden?
    Im Prinzip ja. In der Frauen- und Geschlechterforschung haben wir ja gelernt, dass es keine biologisch feststehende Charakterisierung und Grenzen als Frau oder Man gibt, sondern viele Schattierungen, Wechsel und Übergänge. Und wenn sich ein Mann kräftig und wirksam für die Geschlechtergerechtigkeit einsetzt, dann könnte er auch den Preis erhalten.

Nach 10 Jahren könnte auch für die Stiftung ein Wendepunkt erreicht sein, um etwas Neues einzuläuten. Bleiben Sie daher neugierig und dieser Stiftung verbunden. Die diesjährige Preisträgerin Marianne Pitzen, die die Kriterien des Preises wunderbar erfüllt, wird Ihnen nun Frau Dr. Gabriele Uelsberg vorstellen.

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