2010 Begrüßungsrede Ullrich Sierau

Begrüßungsrede Ullrich Sierau
Oberbürgermeister der Stadt Dortmund

24. September 2010 mit 250 geladenen Gästen in der Bürgerhalle des Rathauses der Stadt Dortmund

Sehr geehrte Frau Ghafury,
sehr geehrter Herr Botschaftsrat Nadjib,
sehr geehrte Frau Jansen,
sehr geehrte Frau Prof. Dr. Metz-Göckel,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

zur diesjährigen Feier anlässlich der Preisverleihung der Stiftung „aufmüpfige Frauen“ begrüße ich Sie sehr herzlich in der Bürgerhalle des Dortmunder Rathauses. Dieser Ort ist gut gewählt. Drückt er doch aus, dass wir uns hier in der Mitte der Dortmunder Bürgerschaft befinden.

Und genau aus dieser Mitte ist die Stiftung „aufmüpfige Frauen“ entsprungen. Sie ist ein hervorragendes Beispiel bürgerschaftlichen Engagements, auf das Dortmund zurecht sehr stolz sein kann.

Deshalb bin ich sehr froh, Teil dieser würdigen Preisverleihung sein zu dürfen und bin der Einladung natürlich sehr gerne gefolgt. Ausdrücklich begrüße ich die diesjährige Preisträgerin, Frau Ghafury, in Dortmund. Wir freuen uns sehr, Sie und Ihre Familie in unserer Stadt als unsere Gäste begrüßen zu können.

An solch hochrangigen Preisverleihungen wie der heutigen, finde ich sehr faszinierend, welche politische und gesellschaftliche Relevanz sie besitzen und welche Tagesaktualität sie entfalten, obwohl sie schon monatelang vorher geplant wurden. Die Auswahl von Frau Ghafury als Preisträgerin ist dafür ein sehr schönes Beispiel.

Denn bei der Betrachtung und Würdigung ihres Lebenswegs und ihrer Lebensleistung sind wir zwangsläufig mitten in den hochaktuellen Themen Integration, Verhältnis Deutschland-Afghanistan und bei unserem Blick, vielleicht auch unseren Vorurteilen, auf eine islamisch geprägte Region.

Ohne Frau Jansen als Laudatorin zu sehr vorgreifen zu wollen, möchte ich ein paar Worte zu Frau Ghafury, zu ihrer Vita und ihren Leistungen sagen.

Zuerst einmal stelle ich fest, dass Sie, Frau Ghafury, die vielen einfachen Wahrheiten, die zu den eben genannten Themen derzeit in unserem Land kursieren, salopp gesagt über den Haufen werfen. Da werden sicherlich einige nicht froh darüber sein, weil ihr bequemes schwarz-weiß Bild nicht mehr stimmt.

Aber wir alle hier und ich denke auch die große Mehrheit in unserem Land, sind glücklich darüber, dass es Menschen wie Sie gibt, die uns durch ihr Beispiel Augen und Ohren für differenzierte Meinungen öffnen.

Ihr Lebensweg in Deutschland seit Ihrer Flucht 1992 aus Afghanistan ist ein Paradebeispiel für eine gelungene Integration von Menschen mit ausländischen Wurzeln in unsere Gesellschaft. Obwohl Sie Ihr Heimatland sicherlich schweren Herzens verlassen mussten, haben Sie nicht aufgegeben.

Sie haben vielmehr sofort begonnen, die deutsche Sprache zu erlernen und eine Arbeit aufgenommen, die Ihnen und Ihrer Familie den Lebensunterhalt sicherte.

Doch als eigenständige und politische Frau war Ihnen das nicht genug. Sie begannen sich zu engagieren, für Afghanistan, aber auch für Deutschland, Ihre zweite Heimat. Seit Jahren wirken Sie in Marburg in verschiedenen Initiativen und Vereinen mit.

Sie setzen sich für die Belange von Migrantinnen und Migranten ein, Sie sind Vorsitzende in der „Initiative afghanisches Handwerk“ und Mitbegründerin und Vorstandsmitglied in zwei Vereinen, die einerseits die Verständigung von Afghanen in Europa untereinander fördern und andererseits sich für ein besseres Verständnis Afghanistans in Deutschland einsetzen.

Damit leisten Sie nicht nur eine unglaublich wichtige Arbeit für Ihr Heimatland, Sie wirken damit auch direkt in unsere Gesellschaft hinein und beeinflussen im positiven Sinne unsere Sichtweise auf Afghanistan. Sie zeigen uns, dass Afghanistan nicht das Land ist, das uns in den täglichen, oftmals selektiven, Nachrichten begegnet.

Durch Ihre Arbeit und Ihr persönliches Beispiel bringen Sie uns näher, wie Afghanistan wirklich ist. Afghanistan ist ein Land offener, toleranter und gastfreundlicher Menschen.

Ein Land, dessen Hauptstadt Kabul in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts Ziel vieler junger, bunter und manchmal etwas verrückter Menschen auf dem Hippietrail war. Diese wurden damals von den Afghanen zwar ein wenig belächelt, aber immer sehr freundlich und offen aufgenommen.

Es ist somit nicht das Land, des immerwährenden Krieges, der ständigen Gewalt und einer radikalen Bevölkerung, die allen andersgläubigen und andersdenkenden Menschen nach dem Leben trachtet.

Afghanistan ist ein islamisch geprägtes Land, in dem Mitte der siebziger Jahre unsere Preisträgerin Abitur machen und im Ausland studieren konnte, um danach als Dozentin an der Universität zu lehren.

Afghanistan und seine Menschen stehen in Wirklichkeit nicht für eine extreme Auslegung des Islam, bei der Frauen massiv benachteiligt, sie von Bildung, Beruf und medizinischer Versorgung nahezu ausgeschlossen werden.

Wenn wir uns dies alles vor Augen führen, oder es uns durch Menschen wie Frau Ghafury deutlich wird, erst dann können wir verstehen, wie Afghanistan wirklich ist und was es heute wirklich braucht.

Es ist ein Land, das seit dreißig Jahren im Kriegszustand lebt, ein solches Land braucht zuallererst Frieden und eine Infrastruktur, die den Menschen ein normales Leben sichert. Es benötigt stabile politische Verhältnisse, Bildung und Gesundheitsfürsorge für alle.

Und dann braucht es auch Menschen, wie Frau Ghafury, die sich, ob im In- oder Ausland, für ihr Land engagieren. Frau Ghafury leistet dieses Engagement schon heute, schon bereits seit fast zwei Jahrzehnten. Unermüdlich, obwohl Afghanistan leider immer noch keinen Frieden gefunden hat.

Vor dieser Energie und vor dieser Beharrlichkeit habe ich den größten Respekt und für ihr beeindruckendes Lebenswerk gilt Frau Ghafury meine höchste Anerkennung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

mit der Würdigung an die Preisträgerin verbinde ich meinen Dank an die Initiatorin der Stiftung.

Frau Professor Metz-Göckel hat nicht nur den Anstoß zu dieser Stiftung gegeben und sie maßgeblich gestaltet; sie hat zudem große persönliche Anstrengungen unternommen, um dieses Projekt realisieren und finanziell angemessen ausstatten zu können. Dies ist bürgerschaftliches Engagement par excellence, wofür ich Ihnen im Namen der Stadt Dortmund sehr herzlich danke.

Ihnen, sehr geehrte Frau Professor Metz-Göckel, und allen, die sich in dieser Stiftung engagieren, wünsche ich weiterhin Erfolg.

Aufmüpfige Frauen – das weis ich aus eigener Erfahrung – wird es immer geben und so bin ich sicher, dass die kommenden Preisträgerinnen genauso faszinierende Persönlichkeiten sein werden, wie die heutige.

Glück auf!

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